Insbesondere der Bereich der sozialen Kompetenzen nimmt einen zunehmenden Stellenwert für den Unternehmenserfolg ein. Während bisher aus methodischer Sicht der Aspekt der Routine wichtig war, müssen FacharbeiterInnen 4.0 in Zukunft verstärkt teamfähig sein, um sich untereinander in komplexeren Situationen zu koordinieren und effizient zu arbeiten (siehe „Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfe bis 2030“, Bundesministerium für Arbeit und Soziales).
Als digital natives fällt Auszubildenden der Umgang mit digitalen Bedienschnittstellen meist leicht. Neben dem vermehrten Einsatz digitaler Medien, die sich aus diesem Grund anbieten, heben neue Formate großes Potential, Auszubildende noch besser auf die Tätigkeiten im Unternehmen vorzubereiten. Beispiele hierfür sind:
- Frühzeitige Fähigkeits-Potenzial-Workshops: Diese erlauben es AusbilderInnen vor allem soziale Kompetenzen und Motivationen der Auszubildenden einzuschätzen. Hierfür bieten sich offene Problemstellung an, die in Teams gelöst werden. Dabei steht der Lernerfolg weniger im Vordergrund (ein außergewöhnliches Beispiel, das sich adaptieren lässt, ist der Eierwettbewerb). Relevanter ist die Beobachtung der Auszubildenden durch die AusbilderInnen. So werden vielversprechende Kommunikationsmuster für die jeweiligen Auszubildenden (z. B. vermehrtes Loben) sehr früh identifiziert, ggf. passende Ausbildungsformate gewählt oder bestehende Formate leicht angepasst.
- Interdisziplinäre Workshops: In diesen Workshops arbeiten Auszubildende aus verschiedenen Fachbereichen zusammen an einer Problemstellung. Dies fördert die Vermittlung fachlich übergreifenden Wissens sowie die Teamfähigkeit. Auszubildende in höheren Lehrjahren können auch in Aspekten wie Problemlösungsfähigkeit, Stressresistenz und Selbstständigkeit gestärkt werden, indem das Umfeld von Workshops im geschützten Raum durch zunehmende Zielvorgaben (z. B. Zeitlimits) und ggf. deren Prüfung verändert wird.
- Projektarbeit: Im Wesentlichen ähneln Projektarbeiten den oben genannten Workshops und vermitteln die gleichen Kompetenzen. Unterschiede sind die längere Dauer (bzw. zeitliche Verteilung der Tätigkeiten) und das geringere Maß an Interaktion mit den AusbilderInnen während der Projektarbeit. Welche Kompetenzen im Vordergrund stehen, kann bspw. durch Gruppengröße und Umfang bzw. den Anspruch des Projekts gesteuert werden.
Bei den Vorreitern der Digitalisierung ist der Einsatz von Smartphones, Tablets oder Laptops in der Ausbildung Alltag. Damit können z. B. Lernplattformen mit digitalen Lerninhalten sowie das digitale Ausbildungsheft aufgerufen werden. Viele Unternehmen gehen aber noch weiter. Im Folgenden werden einige Beispiele beschrieben:
Für die Ausbildung in der Zerspanung können virtuelle Anlagen die Ausstattung der Lehrwerkstatt ergänzen. Zum einen bieten diese Simulatoren die Möglichkeit, den Maschinenpark kostengünstig virtuell zu erweitern und damit mehr Auszubildenden zeitgleich Zugriff zu ermöglichen. Zum anderen werden Fehler bei der Einrichtung der Anlage angezeigt und verursachen keine Reparatur- und Ausfallkosten. Das Erlernen des Umgangs mit den realen Maschinen ersetzt der Simulator aber nicht vollständig und nach der Einlernphase erfolgt der Abschluss des Ausbildungsmoduls an der realen Maschine.
Auch der Aufbau einer Lern-Fertigungslinie mit Industrie 4.0-Inhalten ist sehr beliebt. Eine solche Fertigungslinie bestehend aus bspw. einem Förderband und einem Leichtbauroboter kann von den Auszubildenden in Projektarbeit aufgebaut und stetig weiterentwickelt werden. Dabei lernen sie etwas über den Umgang mit Robotern sowie über deren Steuerung und Programmierung. Ferner kann Auszubildenden die Möglichkeit gegeben werden, Erfahrungen mit der Prozesssteuerung und Fernüberwachung von Produktionslinien zu sammeln. Die reale Anlage steht bspw. in Berlin, sie wird aber von Auszubildenden aus Baden-Württemberg betreut.
Nicht immer muss es eine ganze Produktionslinie sein. Auch der Einsatz von Miniaturanlagen speziell für den Ausbildungsbetrieb erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Diese Anlagen bilden den Stand der Technik modernster Anlagen ab, wie z. B. Fernüberwachung zu einem vergleichsweisen geringeren Preis, und ermöglichen das Erlernen unterschiedlichster Geschäftsprozesse eines Werkzeugmaschinenbauunternehmens. Zudem kann die Anlage natürlich auch für entsprechende Ausbildungsmodule (z. B. Zerspanung an einer Mini-CNC) eingesetzt werden.
Ein sehr beliebtes Format für kleinere Digitalisierungsprojekte ist die Vorbereitung von Aufbauten für lokale Ausbildungsmessen oder andere öffentliche Events, bei denen ein gewisser WOW-Effekt ausgelöst werden soll. Z. B. können mittels Augmented Reality-Brillen die Produkte des Unternehmens dargestellt werden. Gerade wenn gezielt für das Unternehmen als innovativer Ausbildungsort geworben werden soll, kann dabei Gamification (also ein spielerischer Charakter der Nutzererfahrung) mehr Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe erzeugen.
Für die Ausbildung 4.0 ist eine sehr enge Kommunikation zwischen LehrerInnen in Berufsschulen und AusbilderInnen in Industrieunternehmen notwendig, da in diesen Lernortkooperationen beidseitig positive Effekte entstehen. So können sich BerufsschullehrerInnen über aktuelle Themen in der Industrie informieren und diese in den Unterricht einfließen lassen. Die AusbilderInnen lernen im Gegenzug Veränderungen im schulischen Lehrplan besser kennen und können diese in die Planungen der Praxisteile einfließen lassen. Gerade im Aufbau von Workshops und Projekten kann dies hilfreich sein.
Ein weiterer Punkt ist die Nutzung von Lernfabriken in den Berufsschulen. Jede zweite Berufsschul ein Baden-Württemberg hat bereits eine Lernfabrik, in denen Industrie 4.0-Inhalte gelehrt werden können. Eine Kooperation zwischen der Vermittlung der Industrie 4.0-Inhalte in den Lernfabriken sowie praktischen Anwendungen in der Industrie ist für die Auszubildenden häufig förderlich.
Um diese engere Verknüpfung zwischen schulischer Ausbildung und Ausbildung im Unternehmen zuschaffen, müssen AusbilderInnen und BerufsschullehrerInnen proaktiv aufeinander zugehen und selbst Austauschformate, wie z. B. Unternehmensbesuche oder Themenabende, organisieren.